, Florian Löwenthal - Skipper VitEsse

Windweek Night 2019


Es ist wieder Challenge-Zeit. Die Nachtregatta von Brunnen nach Stansstad und wieder zurück scheint sich als Tradition etablieren zu können. Nasskalte Erinnerungen an die letztjährige Challenge kommen auf. Aber was soll’s. Wir, das Team VitEsse mit Alois Vogel, Sonja Kamer und Florian Löwenthal, melden uns an. Das Wetter schien dieses Jahr mitzuspielen. Einzig die Möglichkeit eines Föhneinbruchs am Sonntagmittag bereitete den Organisatoren etwas Sorgen. Unsere Vorbereitungen um unsere Lady VitEsse auf einen Nachtsegelturn aufzumotzen, laufen auf Hochtouren. Neben der Reinigung des Unterwassers gab es auch technische Probleme zu lösen. Die VitEsse ist keine Nachtseglerin und auf ihr Äusseres bedacht. Die obligatorische Fockbeleuchtung sollte die Ästhetik ihres figurbetonenden Mastes nicht beeinträchtigen. Schliesslich konnten wir ihr ein passendes Leuchtmaterial an den Mast kleben. Am Samstagabend motoren wir um 19.15 Uhr ins Startgelände vor dem Auslandschweizerplatz. Auch auf dem See spüren wir, dass die Windweek 2019 voll im Gang ist.


Der Festspeaker René Baggenstos erläutert den zahlreichen Zuschauern den Ablauf eines Regattastartes. Wir fühlen uns ähnlich den Gladiatoren in der Arena und ziehen wie lauernde Haifische unsere Kreise, dabei permanent unsere Konkurrenten wie Black Nessi (Pascal Marty), Essenza (René Stauffer), Steel Two (Philip Weber) oder die Kiwi (Thomas Hasler) im Auge behaltend. Punkt 20.00 Uhr ertönt das Startsignal. Ohne Hektik können wir den Gennaker ziehen und segeln Richtung Nase los. Den besten Start erwischt die Bird of Paradise (Herbert Hösli), welche die Startlinie schon 7 Sekunden nach dem Startsignal überquert. Dem erfahrenen Seebär muss man das Segeln nicht mehr erklären. Das letzte Boot gleitet 3 Minuten nach dem Startsignal über die Startlinie. Es gibt sie doch noch, die Gemütlichkeit. Die Abendstimmung ist einmalig. Im Flottenpulk geht es die ersten 5 Meilen bis zur Nase. Unsere Dame VitEsse zeigt sich von ihrer besten Seite und läuft vorne mit. Wir sind erleichtert. Die Trimms und das Unterwasser sind in Ordnung.


Vor der Nase schwächelt der Wind und das auseinandergezogene Feld schliesst wieder auf. Nur die Steel Two (Philip Weber) bleibt bei Gersau hängen und lässt dem gesamten Feld den Vortritt. Auch der Cruiser Andromeda (Christian Schreiber), welcher dem Feld grosszügig drei Minuten Startvorsprung gewährte, überholt den Vorjahres VC-Cup-Sieger. Nach der Nase wählen wir die risikoreiche Route du Bürgenstock, entlang dem Südufer. Für einen kurzen Moment befinden wir uns hinter Segelwert (Andreas Zimmerli) auf Platz 2. Etwas später entdecken wir in der Dunkelheit auf Backbord die Black Nessi (Pascal Marty). Wir sind so nahe, dass wir ihre Stimmen hören. Ganz leise und angespannt schleichen wir an ihnen vorbei. Wir flüstern nur noch. Ein seltener, für uns historischer Moment, hat sich gerade zugetragen. Das Licht des Vollmondes lässt Boote erahnen, manchmal hören wir Winschen rätschen oder Segel flattern, sonst ist nur das sanfte Rauschen des Wassers zu vernehmen. Das laute Partyboot mitten auf dem See steht im krassen Gegensatz dazu. Eingangs Stansstad passiert es auch uns. Der Windex im Masttop kann sich nicht auf eine Richtung festlegen und benimmt sich wie eine Ameise auf Extasy. Wie wir auch die Segel stellen, der Wind weht immer aus der falschen Richtung oder gar nicht. Von Achtern ruft plötzlich eine Stimme aus der Nacht: «Flo, bist du es?». Das ganze Feld der Cruiser rauscht in unserem Rücken auf uns zu. Die um mich besorgte Person war Erwin Schaller auf seiner Antigua, eine Dufour notabene! Ich frage mich, warum die schon da ist.


Mittlerweile hat die Steel Two das Feld wieder eingeholt. Einzig die Falkone (Roger Schumacher), Jinx (Urs Infanger) und die Sedna (Christoph Sidler) ziehen ihren Kurs hinter dem späteren Gesamtsieger Segelwert in Richtung Umkehrboje mit beeindruckender Geschwindigkeit durch und belegen die Zwischenplätze 2,3 und 4. Der Wind frischt im Stansstader Becken stark auf und bewegt sich nun zwischen 12 bis 16 kn von Süd-Ost. Um 0.47 Uhr erreichen auch wir die Umkehrboje. Bei der späteren Analyse stellen wir fest: die Segelwert passierte die Boje schon vor einer Stunde. Die Falkone wendete hier vor 40 Minuten. Bei der Boje befinden wir uns im Sandwich zwischen der Astrea (Urs Tschümperlin) im Steuerbord und der Jill (Markus Tanner) auf Backbord. Etwas beengt quälen wir uns um die Boje und starten die Aufholjagd. Wir sind auf Rang 16 zurückgefallen. Jetzt muss unsere Dame die Zähne zeigen. Bei 15 kn true Wind und dem Windwinkel (TWA 145°) lassen wir den Gennaker im Niedergang. Unter Fock powern einsam dem Feld Richtung Kreuztrichter nach. Eingangs Vitznauer-Becken finden wir einen stabilen Ostwind vor. Die VitEsse gibt jetzt alles - den Amwindkurs liebt sie. Wir rauschen bei stabilem Wind mit fast 6 kn durch die Nacht. Vor uns sehen wir etliche Toplichter, die näher kommen, und manch Grün-Rot-Beleuchtung eines Rettungsbootes. Im Hintergrund die Lichter von Hertenstein und Weggis. Ein Toplicht nach dem anderen lassen wir hinter uns liegen. Wir haben anscheinend eine eigene Windstrasse gefunden.


Vor Weggis wird es für uns spannend. Ein Boot, welches aus der Dunkelheit mit Backbordbug auf uns zu rauscht, unterwenden wir, um dann Höhe zu kneifen. Ohne Kommentar wendet das Boot kurze Zeit später wieder weg. Es war die Sedna, welches dieses Profiverhalten zeigte. Es ist mittlerweile 02:36 Uhr als wir die Nase erreichen. Weder mein Vorschoter Alois noch meine Steuerfrau Sonja zeigen Müdigkeit. In der Dunkelheit taucht backbord unerwartet die Taifun (Julian Schrumpf), eine schnelle Juwel 34, gesteuert von Dani Schroff, auf. Ganz in der Nähe in Richtung Gersau sichten wir die Essenza, Wir hatten an der Umkehrboje noch einen Rückstand von 20 Minuten auf dieses Esse Team. Der Wind ist mittlerweile sehr schwach geworden. Von der Nase bis zum Schwybogen wechseln wir gefühlte 50 Mal zwischen Code Zero, Gennaker und Fock. Die Geduld und Beharrlichkeit meines Vorschoters bewundere ich, sage aber lieber nichts, sonst fällt es ihm vielleicht noch selbst auf. Um 05:47 Uhr passieren wir als Dritte der SRS Racer 1 die Ziellinie. Mittlerweile sind wir müde, aber auch sehr zufrieden. Auf dem Rückweg zum Hafen können wir das spannende Schlussrennen zwischen den beiden Esse’s 850, der Essenza und der Steel Two beobachten, welches die Steel Two taktisch geschickt mit 30 Sekunden Vorsprung für sich entscheiden kann.

Zeiteinlauf Essenza und Steel Two

Um 09:50 Uhr erreicht auch das letzte Boot das Ziel und war damit fast 14 Stunden unterwegs. Die Challenge 2019 war ein tolles Erlebnis. Das neu eingeführte Trackingsystem funktionierte sehr gut und ist eine Bereicherung. Die Applikation erlaubt mittels dem Replay sehr interessante Aspekte zu erkennen und ist auf folgendem Link auffindbar: https://www.metasail.it/incoming/124/ Bemerkenswert ist die Regatta des SRS-Cruiser Gewinners Witt Clif (Simon Spiller). Trotz seinem hohen Rating kam die Mannschaft sehr gut mit den Windverhältnissen zurecht und erreichte als 9.tes Boot die Umkehrboje in Stansstad. Bei der Durchquerung des Vitznauerbeckens ersegelten sie einen Vorsprung auf ihre Klassenverfolger, der dann den Grundstein für ihren verdienten Sieg der SRS-Cruiser sorgte. Herzliche Gratulation! Das Team VitEsse und sicher auch alle Teilnehmer danken den Organisatoren für ihren grossen Einsatz. Der Anlass war super geplant und professionell durchgeführt. Er wird uns als unvergesslich schöne Erinnerung bleiben. Bis zum nächsten Jahr!