, Dominique Erni, Skipper Poco Loco (Dolphin 81)

Bürgenstock Race 2022

 

Das Bürgenstock Race aus Sicht der "Poco Loco"

Der Regen war weniger als angesagt, der Wind mehr, es sollte eine prächtige Regatta werden. Die Wolken trieben vom Berg her, der ihr den Namen verleiht, mit ihnen der eine oder andere bedrohlich erscheinende, letztlich aber harmlose Schauer. Der Wind kam zwar von der entgegengesetzten Richtung, was nicht so ganz zusammenpassen wollte.

Dieser Ostwind war von ansprechender Statur, sodass recht pünktlich gestartet werden konnte. Zu Beginn war er mit einer südlichen Note versehen, weshalb wir uns für die rechte Seite entschieden und zwischen Segelwert und Nessi über die Startlinie fuhren. So weit so gut. Im weiteren Verlauf drehte der Wind aber hin und her und hielt nicht, was er uns am Start versprach, etwa so wie ein Politiker nach seiner Wahl. Im Gegensatz zum Politiker buhlt er aber nicht um unsere Gunst, sondern es ist gerade umgekehrt. Deshalb führte der Erfolg einmal mehr nicht daran vorbei, sich in Gleichtakt zu bringen mit den Winddrehern, und es war die VitEsse, der dieser Tanz am besten gelang, so viel schon mal vorweg.

Des einen Glück war des andern Leid. Dieses Mal erwischte es niemand geringer als die Nessi, die einem typischen Fall von Vergersauerung erlag, vor Gersau versauerte und sich mit diesem Malheur um einen weiteren Sieg brachte. Obwohl uns dies nicht viel nützte, war es doch ein Trostpflästerchen für unsere Moral, dass es andere noch ärger erwischen kann, denn den richtigen Wenderhythmus haben wir etliche Male verpasst.

Vor Boje 1, die schon weit vor Brunnen erschien, verschlampte der Wind komplett. Das imaginäre Band, das die Boote zusammenzuhalten scheint – das élastique bei den französischen Weltumseglern – zog sich zusammen, und es wurde frisch gemischelt. Die Tracks nahmen bizarre Strukturen an, aber irgendwie kriegte schliesslich jeder die Kurve um die Boje herum, um dann erleichtert und mit neuem Mut in den Urnersee zu stechen, dies in respektvoller Distanz zum Schillerstein. Nach und nach tauchte vor uns ein Farbtupfer nach dem andern auf, gebildet durch die verschiedenen Gennacker der Spitzenboote. Mit zunehmendem Wind spannte sich das élastique wieder an, und wir hatten das Gefühl, dass wir immer noch daran hingen. Bevor das Urnersee-Feeling so richtig aufkommen wollte, näherten wir uns bereits Boje 2, die in regelmässigem Takt von einem Boot nach dem andern gerundet wurde. Was sich anschliessend abspielte, war doch ziemlich verblüffend, konnte doch Boje 1 auf einem einzigen Bug angefahren werden, einschliesslich der Bogen um den Schillerstein herum. Leider konnte ich mich nicht lange mit dem Rätsel beschäftigen, wie denn der Wind in einem solchen Canyon von einem See seitlich einfallen kann. Auf der zweiten Anfahrt auf Boje 2 wurde dieses Phänomen noch deutlicher, und der Wind kam nur noch quer. Bei diesem kräftigen halben Wind zogen die längeren racer 1 Boote unwiderstehlich davon. Dazu gesellte sich eine weitere Ungerechtigkeit: Nach einem weiteren Regenschauer tat sich um die Boje herum ein Windloch auf, in das wir wehrlos hineinplumpsten. Das élastique riss, was uns einen schmerzhaften Zwick verpasste.

Der Rest war Geschichte. Wie wir dies von den 50 Meilen her kennen, trägt der Schillerstein nicht nur eine goldene Inschrift auf, sondern auch ein ungeschriebenes Gesetz in sich. Dieses nämlich besagt, dass, wer sich dort verspätet, auch wenn nur um wenige Minuten, das Rennen abschreiben kann. Das Feld verabschiedet sich von Dir und Du weisst, dass Du es frühestens am Ziel wiedersehen wirst. Es wird immer kleiner, bis es sich als winzige Striche in die entfernte Uferlandschaft einfügt. Den Wind nimmt es geizig mit und überlässt Dir nur noch einen schäbigen Rest, wenn überhaupt. Und so ergab sich denn eine Zäsur zwischen racer 1 und racer 2, zu denen wir uns gesellten, und die in diesem Gruppetto ihr eigenes Rennen fuhren. Immerhin konnten wir uns von diesem absetzen und dadurch noch einigermassen den Tag retten. Dank unserem pinken Spi!