, Flo Löwenthal, Crew Vitesse (Esse 850)

Regattabericht "Gelbes Band"

 

Das Gelbe Band – Mathematik, dein Freund und Helfer
Autor: Florian Löwenthal (7. August 2022)


Es ist Freitag, 5. August 2022, ich lese auf dem Sofa zufrieden ein gutes Buch, welches ein ehemaliger Arbeitskollege in seiner Pension geschrieben hat, als mich die Frage meiner Skipperin Sonja aus meiner Phantasiewelt herausreisst: «Wollen wir morgen das Gelbe Band segeln? Julian meint, es habe guten Wind.»


Es sei kurz erwähnt: beim Gelben Band geht es um die Strecke Luzern – Brunnen, welche in möglichst kurzer Zeit abzusegeln ist. Die direkte Distanz beträgt 12 Seemeilen. Der Rekord wurde von Urs Infanger auf seiner X99 mit 1 Stunde und 51 Minuten aufgestellt.


Ich hätte es nach über 10 Jahren Partnerschaft besser wissen müssen. Das war keine Frage und so befand ich mich am nächsten Tag um 10.00 Uhr auf unserem Boot VitEsse Richtung Luzern. Der Wind wehte mit etwa 8 – 12 kn aus West und wir segelten von Brunnen in 2h und 30 Minuten nach Luzern. Diese Route durchzusegeln ist selten möglich, da die berüchtigte Gersauer-Windkante häufig eine unüberwindbare Grenze definiert. Wir waren in Luzern dementsprechend euphorisch gestimmt.


Das Luzerner Becken ist nicht sehr tief und mit unserem 2 Meter Tiefgang sehe ich einige Male besorgniserregende 0 m auf der Anzeige unseres Echolots. Ich habe etwas Reserve in die Messung eingegeben, aber natürlich vergessen wie viel. Mein Entschluss reifte spontan, dass ich die Tiefenmessung überprüfen werde.


Die Aufzeichnung der Fahrt zurück haben wir mit der App Kwindoo durchgeführt. Sobald die Start- und Ziellinie in der Software definiert sind, startet die App automatisch die Zeitmessung, wenn die Startlinie in Natura überschritten wird. Unglaublich, was heute alles möglich ist. Am Ausgang des Luzerner-Beckens wird uns klar, dass der Wind zu schwach ist, um die Infanger-Zeit zu schlagen. Aber wer will schon so schnell segeln.

Den ganzen Weg können wir unter Gennaker bei einem Wind zwischen 5 kn bis 12 kn (TWS) zurücklegen und nach 2 h 20 Minuten 26 Sekunden queren wir zufrieden das Ziel in Brunnen. Urs war in seiner Rekordfahrt deutlich schneller.

Zurück in der guten Stube stellte ich mir die Frage, ob wir die Zeitvorgabe von Urs überhaupt schlagen können. Die Antwort liefert die Mathematik. Mit Mathe segeln wir nicht schneller, verstehen aber, warum wir zu langsam sind:
Der direkte Seeweg beträgt 12 nm. Wir segelten gemäss Kwindoo die Distanz 15 nm. In einem Dreieck rechnet sich daraus einen wahren Winkel von gemittelten 143°. (Trigo: TWA= arccos(12/15)). Ein Blick auf die Polaren zeigt, dass dieser Winkel im optimalen Bereich liegt. Sonja hatte also aus dem verfügbaren Wind ziemlich das Maximum herausgeholt. Chapeau!
Um dieselbe Strecke von 15 nm in Rekordzeit zu segeln, beträgt die mittlere Bootsgeschwindigkeit 8.1 kn. Nun hatte Urs einen stärkeren Wind. Mit einem stärkeren Wind verkleinert sich der TWA von 143° auf etwa 150°. Bei diesem Winkel verkürzt sich die Raumwindstrecke von 15 nm auf 13.9 nm oder gerundet 14 nm. (Trigo: 12/cos(150)). Damit reduziert sich die benötigte mittlere Bootsgeschwindigkeit auf 7.6 kn. Ein Blick auf die Polaren zeigt uns, dass wir dafür einen Westwind von mindestens 12 kn benötigen. Fügt man noch etwas Reserve dazu, benötigen wir einen mittleren Wind von 14 kn TWS um die Zeit von Urs zu schlagen. Aber wie erwähnt, wer will schon so schnell segeln.
Dieser Tag wird uns in toller Erinnerung bleiben, gerade weil wir beide Strecken segeln konnten. Es wäre dies das «doppelte» gelbe Band.